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Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung Medienpsychologie & Medienwirkung

Mediennutzung populistischer Bürger

"Where Populist Citizens get the News: An Investigation of News Audience Polarization along Populist Attitudes in Eleven Countries"

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Die populistische Parteien ANO, FPÖ und AfD erreichten in den nationalen Wahlen Tschechiens, Österreichs und Deutschlands jeweils zweistellige Ergebnisse. Regierungsübernahme, Regierungsbeteiligung und Einzug in den Bundestag waren die Folge. Im März 2018 erzielen gleich zwei populistische Parteien historische Erfolge in den Italienischen Parlamentswahlen, wenige Monate später unterschreiben Fünf-Sterne Bewegung und Lega Nord einen Koalitionsvertrag. Diese Entwicklungen lassen ahnen, dass Populismus die Politik etablierter Westlicher Demokratien auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten herausfordern und gegebenenfalls auch nachhaltig beeinflussen wird.

Die Wahlerfolge populistischer Parteien reflektieren einen relativ starken Rückhalt für populistische Ideen in der Bevölkerung. Was diesen Rückhalt begründen kann, ist Gegenstand von intensiven wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussionen. Je nach Perspektive stehen andere Ursachen im Zentrum. Der vorliegende Beitrag richtet den Blick auf die Mediennutzung populistischer Bürger. Zwei multi-nationale Befragungsstudien dienten dazu, herauszufinden, ob Anhänger populistischer Ideen bestimmte Medientypen eher nutzen als andere. Dahinter steht die Überlegung, dass Menschen vorzugsweise Zeitungen lesen oder Nachrichtensendungen einschalten, in denen sich die eigene Meinung wiederfindet (selective exposure[1]), um auf diesem Weg meinungsdissonanten Informationen und einer damit verbundenen potentiell mühsamen Auseinandersetzung mit der «Gegenseite» auszuweichen.

Eine derart motivierte Mediennutzung birgt zweierlei Gefahren. Zum einen, und bezogen auf den Einzelnen, kann die Zuwendung zu meinungskonsonanten Informationen in der Folge zur Verstärkung genau jener Einstellungen führen, die die Zuwendung in erster Linie begründet haben. Ohne zu wissen, welcher Schritt dabei zuerst erfolgt, ist von einer sich selbstverstärkenden Spirale zwischen Zuwendung und Einstellungsverstärkung auszugehen. [2] Eine mögliche Folge wäre die Radikalisierung der eigenen Meinung. Zum anderen wird oft befürchtet, dass die selektive Zuwendung zu meinungskonsonanten Inhalten bei gleichzeitiger Abwendung von meinungsdissonanten Inhalten eine Polarisierung auf gesellschaftlicher Ebene begünstigen kann. Bezogen auf den Populismus würde das heissen, dass sich die Gesellschaft in ein populistisches und ein nicht-populistisches Lager teilt, unterstützt durch jeweils meinungskonsistente Berichterstattung.

Populismus wird hier als politische Ideologie verstanden, die Ressentiments gegen die politische Elite, die Vorstellung eines homogenen und tugendhaften Volks sowie eine Forderung nach Volkssouveränität zum Ausdruck bringt.[3] Populistische Bürger sind entsprechend jene, die diesen drei Ideen zustimmen: Sie lehnen die etablierte Politik ab und werfen ihr vor, das in sich gute Volk zu betrügen und Schuld an gesellschaftlichen Missständen zu sein. So begründet sind populistische Bürger davon überzeugt, Entscheidungen für sich und das Land selbst am besten treffen zu können.[4]

Eine Vielzahl von Studien aus den vergangenen Jahren befasst sich damit, den populistischen Bürger über diese ideologische Verankerung hinaus zu beschreiben. Entsprechende Untersuchungen erfassen die Soziodemographie populistischer Wähler, deren Weltanschauung sowie psychologischen Dispositionen und Persönlichkeitseigenschaften.[5] Für die vorliegende Untersuchung ist der Befund, dass populistische Bürger neben der politischen Elite auch den Massenmedien feindlich gegenüberstehen besonders interessant.[6] Auch anekdotische Evidenz belegt eingängig, dass insbesondere Qualitätszeitungen mit nationaler Reichweite (Lügenpresse) und das öffentlich-rechtliche Fernsehen (Systemmedien) in der populistischen Schusslinie stehen. Vor diesem Hintergrund liegt die Vermutung nahe, dass sich populistische Bürger von Nachrichtenmedien abwenden, denen sie verlogene und einseitige Berichterstattung unterstellen.

Darüber hinaus lässt sich vermuten, dass sich Bürger mit populistischen Einstellungen Medien zuwenden, die sehr gut darin sind, die populistische Weltanschauung oder deren Züge zu reflektieren. Dies wird insbesondere Boulevardzeitungen und privaten Fernsehnachrichten nachgesagt[7], die sich selbst als Sprachrohr des Volkes verstehen und häufiger als andere Medien der politischen Elite die Schuld an negativen gesellschaftlichen Entwicklungen geben.[8] Ähnlich sollte es sich mit der Informationssuche in Sozialen Medien verhalten. Populistische Akteure kommen hier besonders häufig auf Facebook zu Wort. Im Vergleich dazu ist ihr Auftreten auf Twitter (Ausnahmen wie Trump vorbehalten) weniger dominant. Wenn Menschen dazu neigen, sich besonders jenen Informationsangeboten zuzuwenden, die das eigene Weltbild wiederspiegeln, kann vor diesem Hintergrund angenommen werden, dass populistische Bürger insbesondere Boulevardzeitungen, private Fernsehnachrichtensendungen und Facebook als Informationsquellen nutzen.

Die vorliegende Untersuchung hat diese und weitere Hypothesen systematisch anhand von zwei Befragungsstudien überprüft. Eine erste Befragung aus dem Mai 2015 erfasste die Mediennutzung und die populistische Einstellungen von je 1000 Bürgern in Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Schweden, der Schweiz und den USA. Im April 2017 wurde die Befragung in den Ländern Deutschland, Grossbritannien, Frankreich und der Schweiz wiederholt.

 

[1] Stroud (2008)

[2] Slater (2007)

[3] Mudde (2004)

[4] Schulz et al. (2017)

[5] Bakker, Hawkins, Schulz, Akkerman…

[6] Schulz, Wirth & Müller (2018)

[7] Mazzoleni

[8] Hameleers